Hinter den Kulissen der Weihnachtsvorlesung: Wir haben das Multimediazentrum bei der Live-Übertragung begleitet

Schwarze Löcher, ein überarbeiteter Weihnachtsmann, drei volle Hörsäle – und mittendrin das Team des Multimediazentrums (MMZ) des Regionalen Rechenzentrums Erlangen (RRZE): Bei der Weihnachtsvorlesung sorgte es dafür, dass das Theaterstück der Physik live in zwei weitere Hörsäle übertragen werden konnte.

15. Dezember 2022, 12.55 Uhr: Vor dem Physikum in der Staudtstraße 7 fährt ein weißer Wagen vor. Darin: vier Mitarbeitende des MMZ, insgesamt vier Kameras plus Ausstattung, In-Ear-Kopfhörer mit Funkverbindung zu einem Mikrofon, verschiedene Kabel, Akkus und Netzteile sowie, in einer großen schwarzen Kiste, der so genannte „Bildmischer“ mit Bildschirm. Vor den Mitarbeitenden liegen heute knapp achteinhalb Stunden Arbeit und die Aufgabe, die beliebte Weihnachtsvorlesung aus dem Hörsaal G live in zwei weitere Hörsäle der Physik zu übertragen.

13.05 Uhr. Das Team betritt den Hörsaal G und beginnt, die vielen Kisten und Koffer zu öffnen. Außer den MMZ-Mitarbeitenden und einigen Kolleginnen und Kollegen aus der Physik ist der Hörsaal leer. Noch kann nichts, was im Hörsaal G passiert, in die Hörsäle H und E übertragen werden. Das wird sich gleich ändern.

Die „Sicherheitstotale“ und weitere Kameraperspektiven

Zunächst werden drei Kameras mit Stativ aufgebaut. Die wichtigste davon, die Produktionskamera mit Wechselobjektiv, wird mittig am Ende des Hörsaals, direkt neben dem Tonmischpult, positioniert. Sie wird im Laufe des Abends in der immer gleichen Position die „Totale“ einfangen, ohne heranzuzoomen oder zu schwenken, und so stets das gesamte Bild der Vorlesung präsentieren. Wenn Probleme mit den anderen Kameras auftreten sollten, wird in den anderen beiden Hörsälen immer sofort die „Totale“ gezeigt. Deswegen nennt man sie auch „Sicherheitstotale“.

Zu sehen ist eine schwarze Kamera von hinten; dahinter ein hell erleuchteter Hörsaal.
Sicherheitstotale

Zu sehen ist ein fernseh-ähnlicher Bildschirm, dessen Anzeige in verschiedene Felder aufgeteilt ist. In manchen Felder sind jeweils klein die Aufnahmen verschiedener Kameras zu sehen; andere Felder sind größer und zeigen z. B. an, dass die Aufnahme einer bestimmten Kamera gerade live übertragen wird.
Bildmischer

Die anderen beiden Kameras, sogenannte Broadcast-Kameras, werden jeweils links und rechts inmitten der Zuhörerinnen und Zuhörer positioniert. Sie sind, im Unterschied zur starr montierten „Sicherheitstotalen“, personell besetzt: Jeweils ein Kameramann bedient sie, zoomt heran oder schwenkt mit, wenn sich die Vortragenden bewegen.

Und die vierte Kamera? Sie ist frei im Raum beweglich, kommuniziert per Funk, und wird ebenfalls von einem Kameramann bedient.

14.00 Uhr. Die Kameras sind eingerichtet. Damit gibt es nun vier unterschiedliche Aufnahmen desselben Geschehens. Nur: Welche soll in die angrenzenden Hörsäle übertragen werden?

Das entscheidet die Regie. Sie sitzt am bereits erwähnten Bildmischer. Das ist ein Gerät, bei dem die Informationen aller Kameras zusammenlaufen. „Der Bildmischer zeigt einem von jeder verfügbaren Kamera-Aufnahme eine kleine Preview, und dann auch noch ein größeres Bild, auf dem man sieht, welche Aufnahme gerade live im Hörsaal präsentiert wird“, sagt Jörn Rüggeberg vom Multimediazentrum. „Die Regie entscheidet sich für die beste Aufnahme und sorgt mit einem Knopfdruck dafür, dass diese live in die anderen Hörsäle übertragen wird.“

Außerdem kommuniziert die Regie mit allen Kameramännern über einen sogenannten „Ohrwurm“: In-Ear-Kopfhörer, die die Kameramänner im Ohr tragen und die mit einem Mikrofon in der Regie verbunden sind. Jörn Rüggeberg: „Der- oder diejenige, die Regie führt, hat ein Mikrofon und kann den Kameraleuten Anweisungen geben, z. B.: Kamera eins näher ran! Oder: Mach mal ein schönes Zuschauerbild! Vielleicht auch: Bleib so, ich geh jetzt mal auf deine Kamera. Dann drückt die Regie auf einen Knopf im Bildmischer und wechselt die Kamera, die live in die anderen Hörsäle überträgt.“

Die „Summe“ aller Tonaufnahmen

14.30 Uhr. Die Arbeit am Ton läuft noch. Denn Bild und Ton werden separat aufgezeichnet. Es gibt im Hörsaal ein Mischpult, in dem alle Tonspuren eintreffen. Alle Tonspuren gesammelt werden „Summe“ genannt – und diese Summe wiederum wird per Kabel mit einer Kamera verbunden und so von der Kamera mit aufgezeichnet.

Blick von hinten auf das Tonmischpult, einen flachen, rechteckigen schwarzen Kasten, auf dem Schiebe-Regler und Knöpfe montiert sind. Im Hintergrund ist unscharf ein Hörsaal zu sehen.
Tonmischpult

Damit besteht die Möglichkeit, die anstehende Vorlesung in Bild und Ton aufzunehmen. Aber wie können die Aufnahmen in die benachbarten Hörsäle übertragen werden?

„Dieses Jahr ist alles ein bisschen einfacher geworden“, sagt Jörn Rüggeberg vom MMZ. „Bislang standen wir immer vor der Frage: Wie lösen wir das mit der Live-Übertragung der Vorlesung in die anderen Hörsäle? Aber mittlerweile wurden die Hörsäle so aufgerüstet, dass man die Übertragung problemlos mit einer fest installierten Verkabelung von Hörsaal zu Hörsaal durchführen kann.“ Dazu wird der Bildmischer mit einem HDMI-Kabel verbunden, das an die Anlage angeschlossen wird, die die beiden Hörsäle miteinander verbindet. Auch der Ton kann als „Summe“ problemlos in die anderen Hörsäle übertragen werden.

16.00 Uhr: Die Technik ist aufgebaut und einsatzfähig. Die MMZ-Teammitglieder sind immer noch vor Ort und überprüfen die Einstellungen noch einmal, während die Schauspielerinnen und Schauspieler sowie die Vortragenden aus der Physik ein letztes Mal vor der Aufführung proben.

Mögliche Stolperfallen bei der Übertragung: Kabel, Handys und wieder Kabel

Es gibt gerade während einer Live-Übertragung viele mögliche Stolperfallen – einige davon sind durchaus wörtlich zu verstehen. Denn die vielen Kameras müssen über Kabel mit dem Bildmischer verbunden werden.

Zu sehen sind Treppenstufen im Hörsaal, an denen abgeklebte Kabel entlanglaufen. Die Kabel sind so verlegt und abgeklebt, dass niemand darüber stolpern kann.
Sicher abgeklebte Kabel im Hörsaal

„Verkabelung ist nicht ohne Risiko und auch nicht ohne Aufwand“, sagt Jörn Rüggeberg. „Wir müssen die Verkabelung durch den ganzen Hörsaal legen und stolpersicher abkleben. Die Leute sind sehr talentiert darin, unsere Warnschilder zu übersehen oder so auf Kabel zu treten, dass sie sich verletzen oder die Kabel nicht mehr funktionieren. Deswegen müssen wir da besonders aufpassen.“

Eine weitere Herausforderung, die sich häufig stellt, beschreibt Jörn Rüggeberg so: „Wir haben oft Funktechnik im Einsatz, wo man ein Videosignal nicht über ein Kabel leitet, sondern über Funk. Das Problem dabei ist, dass alle mittlerweile sehr viele Geräte besitzen, die diese Funksignale stören können: Handys, Smartwatches, Laptops. In einem Hörsaal mit 300 Leuten sind bestimmt über 500 funkende Geräte im Einsatz. Das hat uns in der Vergangenheit die Funkverbindung oft komplett gestört.“

Auch die Lichtsituation kann herausfordernd sein. „Wir müssen immer ein bisschen darum kämpfen, dass die Veranstaltenden nicht zu viel Licht ausmachen“, sagt Jörn Rüggeberg. „Kameras sind ja nicht so lichtempfindlich wie unsere Augen, und wenn zu wenig Licht da ist, wird das Bild zu dunkel.“

Knapp 14 Stunden Arbeitseinsatz für die Weihnachtsvorlesung

19.00 Uhr. Das Licht im Saal wird gedimmt. Weihnachtsmusik ertönt. Das Publikum wird begrüßt, einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch. Die Weihnachtsvorlesung der Physik beginnt – im Hörsaal G live und in Übertragung in den anderen beiden Hörsälen. Das vierköpfige MMZ-Team hat insgesamt circa eineinhalb Stunden für den Technikcheck aufgewendet, eine Stunde für die Erstbegehung der Location, eine Stunde für Planungen, zwei Stunden für das Packen des Equipments sowie achteinhalb Stunden beim Aufbau und Begleiten der Veranstaltung. Die Absprache mit den Akteurinnen und Akteuren im Voraus sind in dieser Rechnung noch nicht einmal inbegriffen.

Um 21.30 Uhr ist das MMZ-Team mit dem Abbau der Technik fertig. Fehlt nur noch der Schnitt für den Film, der auf fau.tv hochgeladen werden soll. „Wenn die Livesendung so übernommen werden kann, geht das relativ schnell“, sagt Jörn Rüggeberg. „Aber wenn Fehler beim Live-Film passiert sind, kann der Schnitt auch mal länger dauern. Dann müssen z. B. andere Audiospuren oder Filmaufnahmen eingebracht werden und am Ende der neue Schnitt natürlich noch einmal in voller Gänze überprüft.“

All das muss natürlich im Voraus bedacht werden. Deswegen werden die Tonspuren zum Beispiel separat aufgezeichnet, falls eine Spur stören sollte und so die aufgezeichnete „Summe“ kompromittiert. Nur dank umsichtiger Planung, sorgfältiger Live-Umsetzung und viel Manpower vor Ort kann am Ende ein Film auf fau.tv entstehen.

21.35 Uhr: Ein weißer Wagen fährt in Richtung RRZE davon. Bald ist Weihnachten.


Text: Elisabeth Kolb