Hervorgehoben

Warm, wärmer, heiß

Eierlauf und Topfschlagen löst bei vielen Menschen Kindheitserinnerungen aus. Doch wie hängen diese beiden Spiele mit IT zusammen?

An unzähligen Kindergeburtstagen wurde und wird es vermutlich auch noch heute gespielt: Eierlauf. Die Kinder laufen mit einem Löffel in der Hand, auf dem ein Ei liegt, einen Parcours ab. Gewonnen hat, wer, ohne das Ei fallen zu lassen, als Erster oder Erste das Ziel erreicht hat. Ein anderes beliebtes Spiel an Kindergeburtstagen ist Topfschlagen. Hierbei halten die Kinder einen Kochlöffel in der Hand und krabbeln mit verbundenen Augen über den Boden, um einen mit einer Überraschung versehenen, umgedrehten Topf zu ertasten. In der Regel werden die Topfschläger durch die Rufe der anderen Kinder geleitet: „warm“, „wärmer“, „heiß“. Sind die Kinder nicht aufmerksam, kann es auch passieren, dass sich die Topfschläger stoßen, an Tisch, Stuhl, Schrank oder Bank.

Zwei Spiele, die Kindern unglaublich viel Freude bereiten. Aber auch zwei Spiele, die zeigen, dass das Überqueren von Kisten oder Krabbeln durch Stühle nicht leicht ist, wenn man eine wertvolle Fracht dabeihat, oder wenn die Sicht durch eine Augenbinde genommen wird. Einleuchtend, dass diese Hindernisse nicht zur Stolperfalle werden oder zum Ausflug in die Notaufnahme führen sollen. Und am Ende wollen alle Kinder nur eines: gewinnen!

Also werden Barrieren aus dem Weg geschafft und Tipps und Tricks ausgetauscht, wie das Ei trotzdem auf dem Löffel liegen bleibt, sprich: Barrieren abgebaut. Diese Barrieren auf den Kindergeburtstagen sind aber gut sichtbar und weil alle gleichermaßen betroffen sind, haben alle das gleiche Ziel. Barrieren, die nicht wie im Spiel absichtlich aufgebaut werden, und von denen nur ein kleiner Teil der Menschen, statt der ganzen Gruppe, betroffen ist, werden dagegen weniger wahrgenommen. Oftmals steckt noch nicht einmal Absicht dahinter. Man sieht die Barriere selbst nicht. Das ist problematisch für die, die dadurch beeinträchtigt werden, weil sie vor unüberwindbaren Hindernissen stehen; Und das besonders bei ganz alltäglichen Dingen: Websites besuchen oder Software nutzen zum Beispiel.

Damit diese Barrieren wahrgenommen und abgebaut werden, tritt zum 28. Juni 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es betrifft kommerzielle Anbieter. Diese müssen nun Webangebote, Apps und Software barrierefrei bereitstellen. Für öffentliche Einrichtungen gilt diese Verpflichtung bereits seit 2003. Somit muss Software, Apps oder Webangebote, die der öffentliche Dienst von Unternehmen erwirbt, schon seit 22 Jahren für alle ohne Erschwernis oder fremde Hilfe zugänglich sein. Seit 2016 ist das sogar über eine EU-Norm definiert. Barrierefreiheit ist damit der Stand der Technik geworden. Mit anderen Worten: Anbieter, Softwarelösungen oder Apps, die heute Barrierefreiheit nicht erreichen, können als veraltet oder fehlerhaft angesehen werden.

Betrifft uns also alles nicht? Indirekt doch. Denn das Ziel ist nicht, zu verhindern, dass jemand mit seinem Ei ins Ziel kommt oder den Topf nicht findet und sich stattdessen den Kopf stößt. Durch Barrierefreiheit gewinnen wir alle: Und wenn es nur das Alter ist, das die Augen schlechter sehen oder die Ohren schlechter hören lässt.

Dadurch, dass nun auch kommerzielle Anbieter gesetzlich verpflichtet werden, veraltete Angebote auf den Stand der Technik zu bringen, wird die Qualität entsprechender Produkte und Dienstleistungen besser, die Auswahl größer. Und das ist ein Gewinn für alle. Und im Herzen sind wir doch alle noch Kinder und wollen nur eines: gewinnen! In diesem Sinne gilt für das BFSG: „warm, wärmer, heiß“!

 

Tipp

Wenn Sie in den Angeboten des RRZE Barrieren entdecken, freuen wir uns, wenn Sie uns diese mitteilen.

 


Text: Wolfgang Wiese und Corinna Russow